Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst

„Der Schauspieler schafft sich in seiner Phantasie ein Modell, das er dann wie ein Maler bis in die winzigsten Züge erfasst und nicht auf eine Leinwand, sondern auf sich selbst überträgt.

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Foto: Lars Eidinger als Hamlet / Schaubühne Berlin

Er sieht zum Beispiel Hamlet in einem bestimmten Kostüm vor sich und zieht es sich selber an. Er sieht Hamlets Gang und ahmt ihn nach. Er prägt sich die Gesichtszüge ein und übernimmt sie, passt sein eigenes Gesicht diesem Modell an, er schneidert gewissermaßen seine Haut nach Maß, trennt sie auf und näht sie neu zusammen bis eine vollkommende Ähnlichkeit mit Hamlet feststellt.

Doch das ist noch nicht alles, daswäre ja nur die äußerliche Ähnlichkeit, eine Nachahmung der darzustellenden Figur, nicht aber diese Figur selbst. Es ist notwendig. Dass der Schauspieler den Hamlet mit einer Stimme sprechen lässt, wie er sie von Hamlet hören würde. Um aber den ganzen Ablauf der Rolle zu bestimmen, muss er seinen Hamlet dazu bringen, sich  zu bewegen, zu gehen, zu gestikulieren, zu lauschen, zu denken, wie es Hamlet tun würde, er muss die Seele Hamlets fest in sich aufnehmen. Erst dann ist das Portrait vollendet.“

– Konstantin Stanislawski „Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst“

HERZSTÜCK

EINS: Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen.

ZWEI: Wenn Sie mir meinen Fußboden nicht schmutzig machen.

EINS: Mein Herz ist rein.

ZWEI: Das werden wir ja sehn.

EINS: Ich kriege es nicht heraus.

ZWEI: Wollen Sie, dass ich Ihnen helfe.

EINS: Wenn es Ihnen nichts ausmacht.

ZWEI: Es ist mir ein Vergnügen. Ich kriege es auch nicht heraus.

EINS heult

ZWEI: Ich werde es Ihnen herausoperieren. Wozu habe ich ein Taschenmesser.

Das werden wir gleich haben. Arbeiten und nicht verzweifeln. So, das hätten wir.

Aber das ist ja ein Ziegelstein. Ihr Herz ist ein Ziegelstein.

EINS: Aber es schlägt nur für Sie.

– Heiner Müller

„Wir glauben aber, der Schauspieler braucht einen Menschen nicht nachzuahmen, denn er ist selbst einer und kann aus sich selbst heraus kreativ sein. (…) Nur im Theater verfügen wir über die Gefühle, die Seele, den Geist, das Gehirn und die Muskeln des Künstlers als Material der Kunst. (…) Wir glauben dass Kunst die Funktion hat dem Menschen etwas zu geben, ohne dass er weniger wäre, weniger menschlich, weniger lebendig …“

– Lee Strasberg